19.03.2018

Neuromarketing im E-Commerce – Human Centricity

„Wenn ich etwas kaufe, vergleiche ich meistens die Produktbewertungen miteinander. Kaufentscheidungen sollte man schon rational treffen und das kann ich ziemlich gut“. Diese Aussage stammt von Menschen, die auch daran glauben, dass Werbung sie nicht beeinflussen kann. Man sollte den Tatsachen ins Auge sehen: Mehr als 70% aller Entscheidungen werden unbewusst getroffen. So gehören gehören doch recht viele zu den sogenannten „Bauchmenschen“, die sich dem Einfluss ihrer Gefühle auf ihre Entscheidungen nicht freisprechen können. Vielmehr ist es sogar so, dass man mit rationalen Argumenten versuchen, gefühlsgesteuerte Entscheidung zu rechtfertigen. Die wesentliche Erkenntnis daraus: Entscheidungen werden von unseren Gefühlen stark beeinflusst.

Die Frage, die sich für den Bereich E-Commerce daraus entwickelt: Wie beeinflusst man die Gefühle der Zielgruppe hinsichtlich einer Kaufentscheidung? Wie kann das im E-Commerce erfolgen?

Den Meisten wird bei der Thematik nur eines in den Sinn kommen: Robert Cialdini – die Psychologie des Überzeugens! Eines kann man versprechen, bei diesem Mann sagen sie alle „Ja“. Denn er hat gleich 6 Prinzipien der Psychologie des Überzeugens aufgestellt, die Entscheidungen auf unterbewusster Ebene stark beeinflussen. Das Ganze im Detail:

Das Prinzip der Reziprozität

„Geben und Nehmen“, „eine Hand wäscht die andere“, „Wie du mir, so ich dir“. Es gibt unzählige Sprichwörter, die das Prinzip der Gegenseitigkeit ausdrücken. Denn: Wenn man etwas geschenkt bekommt oder jemand einem einen Gefallen tut, verspürt man die moralische Verpflichtung demjenigen etwas Gleichwertiges zurückzugeben. Im Marketing wird dieser Effekt gerne genutzt. Natürlich nur in dem Falle, dass auch beide Seiten davon profitieren, damit einer langfristigen Beziehung nichts im Wege steht.

Doch welche Möglichkeiten gibt es dieses Prinzip zu integrieren? Besonders online, wo der persönliche Kontakt deutlich eingeschränkt ist?

  1. Häppchen
    Damit jemand das Bedürfnis verspürt, einem etwas zurückzugeben, muss man ihm erst einmal etwas geben, was dieses Bedürfnis auslöst. Was das sein kann? Eine Kostprobe beispielsweise. Verdeutlicht werden kann das durch folgendes Beispiel:

    Im Supermarkt bietet eine Dame einen Cracker mit einer leckeren Antipasti-Creme an und die Kunden probieren neugierig. Hier startet nun der bekannte Kreislauf: Kaum ist der Cracker verzehrt, fragt die Dame auch schon nach, ob einem die Creme geschmeckt hat. Daraufhin versichert man ihr, dass die Creme wirklich hervorragend sei. Und was folgt danach? Genau, es macht sich das Bedürfnis in einem breit, das vermutlich völlig überteuerte Produkt zu kaufen. Nicht etwa weil die Creme so lecker war, sondern weil man das Gefühl hat, man wäre der Dame eine Gegenleistung schuldig. Und genau hier tappen Einige in die Falle der Reziprozität. Dabei musste die Dame die Creme nicht mal aktiv zum Kauf anbieten.

    Online ist das servieren von Häppchen etwas schwierig. Oder nicht?

    Ob man einen Onlineshop betreibt oder eine Dienstleistung anbietet, mit einer Gratis-Kostprobe in jeglicher Form (Probe, E-Book, Fachartikel, Trainingsvideos, uvm.) kann man von diesem Effekt profitieren. Auch ein langes Kundengespräch, indem man sich viel Zeit nimmt, kann dieses Prinzip auslösen. Das Schöne daran ist, dass beide Seiten davon profitieren. Zudem erhält man die Gelegenheit den Kunden einen kleinen Vorgeschmack von der Qualität des Produktes oder der Dienstleistung zu geben, welches sich vielfach auszahlen kann.
  2. Großzügigkeit
    Eine Hand wäscht die andere:
    Tut man seinen Kunden oder Partnern ab und an einen kleinen Gefallen oder empfiehlt in weiter, wird er an einen denken, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet, etwas zurückzugeben. Das was man säht, das erntet man. Also? Anfangen zu sähen!

Das Prinzip der Knappheit

„Begehrenswert“ trifft es wohl am besten auf den Punkt. Ist etwas jederzeitig verfügbar, geht der Reiz schneller verloren, als er gekommen ist.

Kein Wunder also, woher der Ratschlag „Mach dich rar“ kommt. Jetzt stellt sich allerdings die Frage „Wie macht man ein Produkt / eine Dienstleistung „knapp“, wenn man doch am liebsten so viel verkaufen möchte wie möglich?“

Verknappung kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen: zeitlich, limitierte Anzahl, ob nun in echt oder nur vorgetäuscht.

1. Zeitliche Knappheit

Eine oft genutzte Variante ist die zeitliche Limitierung. Wenn ein Angebot zeitlich begrenzt ist, erhält der Kunde das Gefühl, dass er es nur jetzt bzw. nur zu diesem Zeitpunkt zu diesem Preis erwerben kann und nimmt es dadurch als „begrenzt“ und in gewisser Weise auch als besonders „begehrenswert“ wahr.

Eine Methodik für eine Dienstleistung ist das typische „first come – first serve“. Gibt man dem Kunden das Gefühl, jetzt noch die Gelegenheit für eine fristgerechte Bearbeitung des Auftrags zu erhalten, so liegt die Verknappung in der Wahrung der bevorzugten Frist. In Kombination mit einer Deadline, bis zu der er sich entschieden haben muss, um in dem gewünschten Zeitrahmen zu bleiben, erhöht die wahrgenommen Verknappung zusätzlich.

Beispiel eines Shopware Premium Plugins

2. Knappheit durch begrenzte Anzahl

Jeder kennt es: „Nur noch 5 Plätze verfügbar!“. Jetzt aber schnell. Was ist, wenn er gleich weg ist?

Ob Hotelzimmer, Flugplätze oder Artikel aus dem Onlineshop, alles ist RAR! Jedenfalls wollen die Anbieter einen das glauben lassen. Und was soll man sagen? Es funktioniert. Kommt ein Produkt neu raus und ist es kurze Zeit später schon ausverkauft, ist das Produkt knapp und begehrenswert. Ganz egal wie teuer es ist. Möchte man sein Produkt verknappen, produziert man nur eine begrenzte, kleinere Menge des Produktes. Möchte man nur vortäuschen, es sei knapp, werden Informationen wie „Nur noch x verfügbar“ oder „x weitere Personen schauen sich gerade das Produkt an“ in die Website eingebaut.

Bei einer Dienstleistung reicht oftmals auch schon die Information aus, dass „neue Termine verfügbar sind“, weil dies darauf hinweist, dass bereits eine Ausbuchung vorlag. Ferner kann man die Kunden darauf hinweisen, sie mögen sich früh genug für einen Termin entscheiden, da große Nachfrage herrsche. Alles getreu dem Motto „heiße Ware“.

Bei jeglicher Verknappung sollte jedoch klar sein, dass es darum geht, den Kunden unterbewusst zu überzeugen, jedoch nicht ihn in die Ecke zu drängen.

Denn hat sich eine Person erst einmal festgelegt, ändert er diese Meinung nur ungern. So folgt:

Das Prinzip der Konsistenz

Das Streben nach Konsistenz in Handeln und nach außen getragenen Werten ist im Mensch veranlagt. Anders ausgedrückt: Man möchte sich und seiner Meinung treu bleiben. Niemand rudert gerne zurück. Daraus folgt aber auch, dass man dazu neigt, einmal getroffenen Entscheidung auch unter sich gegebenenfalls ändernden Umständen treu bleiben. Und das nutzen Verkäufer, Vertriebler, schlicht weg Unternehmer.

Ob es ein günstiges Angebot, eine Prämie oben drauf oder der Charme des Verkäufers ist. Hat man einmal „Ja“ gesagt, bleibt es dabei. Also versucht man natürlich den Kunden zum ersten „Ja“ zu bewegen. Und um so öffentlicher bzw. „festgehaltener“ dieses „Ja“ ist, desto stärker bleiben Menschen ihrer Meinung treu. Hierzu werden häufig rhetorische Fragen von Verkäuferseite aus eingesetzt, um dem Kunden bereits mehrfache Zustimmung zu entlocken. Die letzte Frage mündet dabei meistens in die Kaufentscheidung, die nahezu dazu drängt auch diese mit „Ja“ zu beantworten. Diese Art von Fragen findet man jedoch nicht nur in einem persönlichen Verkaufsgespräch, sondern insbesondere in der Customer Journey einer professionellen Website oder eines Onlineshops. Dazu sollte man bei der Umsetzung definitiv auf Spezialisten zurückgreifen, die sich mit den Thematiken Neuromarketing und Human Centricity auskennen. Eine technisch hochwertige Umsetzung liefert die Voraussetzung.

Beispiel: Kundenbewertungen

Besonders im digitalen Kaufentscheidungsprozess wird innerhalb der Informationssuche gerne auf die Meinung anderer zurückgegriffen. Möchte man zu diesem Zweck gerne eine Bewertung von seinen Kunden für die erbrachte Leistung, sollte man zunächst nach ihrer Zufriedenheit fragen. Nicht nur da es eine wesentlich nettere Art ist, um einen Gefallen zu bitten, sondern auch aus Sicht des Prinzips der Konsistenz. Bestätigt der Kunde nämlich seine Zufriedenheit mit der Leistung, so wird er die Frage nach einer Bewertung nicht verneinen. Dies zahlt sich aus. Denn ihre zukünftigen Kunden werden sich, so wie eine Vielzahl aller Online-Einkäufer, an den gesammelten Bewertungen orientieren.

Das Autoritätsprinzip

Expertise zählt! So wird die Meinung eines Experten höher gewichtet als die eines Laien. Im E-Commerce kann man sich dieses Prinzip zu Nutze machen. Insbesondere bei traditionellen Unternehmen, Spezialisten, als auch Dienstleistungen fällt die Expertise stark ins Gewicht. Durch Referenzen, Fachartikel und das Aufzeigen der Tradition eines Unternehmens auf der Website kann dieser Eindruck hervorgerufen werden.

Zudem fördern Zertifikate und Zahlmethoden wie PayPal das Vertrauen in die Seriosität eines Onlineshops.

Das Sympathieprinzip

Menschen, die einem sympathisch erscheinen, erfreuen sich erhöhter Glaubwürdigkeit. Dies kommt vor allem daher, dass die Sympathie hoch mit der Ähnlichkeit zur eigenen Person korreliert. Dieses Phänomen können Unternehmen insbesondere bei Onlineshops und im Social Media Bereich nutzen.

Bei Onlineshops, als auch auf den Social Media Plattformen ist es die Auswahl der abgebildeten Personen, die eine möglichst hohe Identifikation mit der Zielgruppe aufweisen sollte. Zudem stehen bei Social Media neben den Bildern auch die textlichen Posts im Fokus. Zielgruppennähe wirkt sympathisch, jedoch sollte darauf Wert gelegt werden, dass die Posts authentisch bleiben. Diese Herangehensweise sollte bereits in der Marketingstrategie verankert sein und durch einen erprobten Social Media Manager ausgeführt werden. Denn auch die Reaktion auf negative Kommentare und Shitstorms haben Auswirkungen auf die Sympathie eines Unternehmens.

Das Prinzip der sozialen Bewährtheit

Das wohl meistgenutzte Prinzip Cialdinis. Was die Mehrheit tut, wird wohl das Richtige sein. So kommt es dazu, dass sich ganze 95% Nachahmer an den 5% Early Adopters orientieren. Genutzt wird dieses Prinzip durch Produktbewertungen, Angaben darüber, wie viele Personen dieses Produkt bereits gekauft haben oder wie viele Personen mit dem Produkt zufrieden sind. Die Integration von solchen Informationen in die Website und den Onlineshop ermöglichen dem Unternehmen, gute Bewertungen hervorzuheben und somit den Kaufentscheidungsprozess maßgeblich zu beeinflussen. Die professionelle, technische Umsetzung des Shops ist somit essentiell für die Nutzung dieses Prinzips.

Below, not above the line!

Glaubwürdigkeit ist hier das A und O. Übertreibt man es mit der Beeinflussung, verlieren Aussagen, wie „noch 2 verfügbar“, an Glaubwürdigkeit. Der Effekt wird dabei hinfällig und die wahrgenommene Manipulation wird negativ aufgefasst.

Ein gutes Beispiel liefert hierfür booking.com, die sich stark an der Grenze zur Unglaubwürdigkeit befinden:

Bei dem Großteil der Hotels wird angezeigt, dass sie heiß begehrt sind und in den vergangenen Stunden oft gebucht wurden. Zusätzlich werden Informationen wie „Ohne Risiko“ und „Sehr gefragt“ gespielt, um den Kunden zum Buchen zu bewegen. Dabei verlieren diese ihre Wirkung, da der Kunde merkt, dass ihn der Inhaber überzeugen möchte. Gut gemeint, schlecht umgesetzt.

Neuromarketing im E-Commerce stellt einen sehr hohen vertrieblichen Nutzen da und kann bei richtiger Verwendung den Umsatz immens steigern. Es wirkt unterbewusst auf den Kaufentscheidungsprozess und erzielt somit Effekte, die klassische Werbung nur mit viel Aufwand erreicht. Die unterbewusste Beeinflussung des Kaufentscheidungsprozesses ist eine Herausforderung, die die Zusammenarbeit mit Spezialisten und eine professionelle, technische Umsetzung erfordert. So kann man bei erfolgreicher Nutzung der Prinzipien, die Effekte dieser langfristig in den Umsatzzahlen wiederfinden.