25.06.2014

Der Preis ist heiß: Was ist eigentlich Dynamic Pricing?

49,95 Euro kosten die Kopfhörer im Internet. Moment, kosten die denn im Katalog nicht 65,90 Euro? Und im Online-Warenkorb liegen sie plötzlich für 57,99 Euro?

Was nicht nur auf den ersten Blick für den Otto-Normal-Onlinekäufer verwirrend ist, nennt sich Dynamic Pricing und birgt für Onlinehändler großes Umsatzpotential. Das Prinzip des Dynamic Pricings liegt in der Anpassung des Verkaufspreises an die aktuelle Marktsituation. Ist die Nachfrage hoch, wird der Preis gerne mal angezogen, stagniert die Nachfrage, versuchen die Händler das Produkt mit Billigpreisen attraktiver zu machen, um so den Abverkauf anzukurbeln.

Hierbei wird auch von Demand Pricing gesprochen. Es stellt im Prinzip eine bewusste Preisdiskriminierung seitens der Händler dar. Der Sinn dahinter liegt darin, die Zahlungsbereitschaft der Kunden je nach Kundengruppe und Marktsegment zu maximieren und die Gewinnpotentiale so optimal auszuschöpfen.

Der Käufer merkt meist nichts

Eigentlicher Vorreiter dieses Prinzips im World Wide Web ist der Onlinemarktplatz eBay. Hier steigt der Preis mit jedem weiteren Gebot an. Gegensätzlich dazu sinkt beispielsweise beim Onlineanbieter Groupon der Preis, je mehr Leute das Produkt kaufen. Gemeinschaftskäufe sorgen somit für fallende Preise. Google verkauft seine Adwords-Anzeigen nach einem dynamischen Mechanismus, bei dem sich der Preis aus der Zahlungsbereitschaft des Werbenden und der anderen Bewerber errechnet.

Größter Anwender des Dynamic-Pricing- Prinzips ist aber der Onlineriese Amazon, der seine Preise sogar mehrmals am Tag ändert. Vor Weihnachten kann der Preis für einzelne Produkte da auch schon mal 70 bis 80 mal pro Woche wechseln. So zeigte eine Analyse des Wall Street Journals, dass die Preislage für eine Mikrowelle bei Amazon an einem Tag zwischen 744,46 Dollar und 856,68 Dollar pendelte und insgesamt neun Mal geändert wurde.

Gerne ändern sich die Preise auch nach Tageszeit: Tagsüber ist der Preis niedrig, um den Verkauf anzukurbeln, abends zur Shopping-Primetime steigen die Preise plötzlich an. Dieses Prinzip haben sich bereits auch viele andere Internethändler zu nutze gemacht, um die Konsumentenrente optimal auszuschöpfen. Preisbeobachtungen haben gezeigt, dass an manchen Tagen bis zu 20 Prozent höhere Preise gezahlt werden.

A-, B- und C-Kunden

Demand Pricing ist somit nichts anderes, als der Verkauf des gleichen Produktes beziehungsweise der gleichen Dienstleistung durch einen Anbieter zu unterschiedlichen Preisen. So kann es vorkommen, dass Waren auf regional abgegrenzten Märkten zu verschiedenen Preisen abverkauft werden, zum Beispiel je nach regionaler Marktabdeckung durch Wettbewerber. Vielfach findet zudem eine zielgruppenorientierte Preisdifferenzierung statt. Hier erfolgt die Veräußerung der Waren vor einem marketingpolitischen Hintergrund. Der Händler differenziert zwischen A-, B- und C-Kunden. Manche Systeme erkennen bereits, mit welchem Gerät auf den Onlineshop zugegriffen wird und wägen so die Kaufkraft des Kunden ab.

Verwender von Apple-Computern, iPhones und iPads gelten laut einer Studie des Wall Street Journals als kaufkräftiger als Online-Kunden, die über Computer, Android-Tablets oder Android-Smartphones mit anderen Betriebssystemen shoppen. MacBook-Besitzer bekommen deshalb unter Umständen teurere Angebote angezeigt als Käufer, die vor einem Windows-Laptop sitzen. Im Jahr 2000 berichtete die Washington Post sogar, dass Amazon von verschiedenen Kundengruppen unterschiedliche Preise für die gleiche DVD verlangte.

Die Preisentwicklung des Sony MDR-V55 Kopfhörers der letzten Wochen in der Übersicht.

Ein anderes Beispiel sind Fluggesellschaften, Anbieter von Urlaubsreisen oder Hotelvermittler. Je nach Wochentag, Tageszeit und verbleibender Zeit bis zum Antritt der Leistung werden verschiedene Preise fällig. Oberstes Ziel dabei: Den besten Preis finden, den der Verbraucher noch bereit ist zu zahlen und damit möglichst die eigenen leeren Plätze besetzen.

Das gleiche Phänomen hat bereits seinen Weg in die Sportwelt gefunden. Dynamic Pricing ist besonders in der amerikanischen Major League weit verbreitet. 27 von 30 der Baseball-Clubs nutzen das System bereits, um ihre Stadien zu füllen. Bei gutem Wetter, Spielen am Wochenende oder guten Siegchancen der Heimmannschaft steigen die Ticketpreise, ist das Spiel dagegen nicht ausverkauft, werden die Preise gedumpt.

Das kann doch nicht rechtens sein?

Auch wenn viele Kunden diese Preispolitik nicht verstehen und durch die unterschiedlichen Preise verwirrt werden, verboten ist sie nicht. Allerdings müssen nach einem BGH Urteil (Az: I ZR 123/08) zumindest die Preise in Suchmaschinen immer aktuell sein. Der Verbraucher darf nicht durch falsche Preisversprechen auf eine Seite gelockt werden, die seine Erwartungen dann nicht erfüllen.

Preisportalanbieter wie Günstiger.de oder Billiger.de aktualisieren ihre Daten-Feeds daher im Abstand von zehn Minuten, um ständig aktuell zu sein. Für Onlinehändler mit Filialen oder Katalogen ist besondere Vorsicht geboten. Wenn der Preis im Katalog höher ist als im Internet droht schnell ein Welle der Entrüstung, aber: illegal ist das ganze dennoch nicht.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Preisanalyse-Programm wie Kapow Software oder Preisanalytics GmbH, die den Händler per E-Mail darüber informiert, wenn die vorab definierte und festgelegte Konkurrenz die Preise ändert. Dann kann dieser selbst entscheiden, ob er mitzieht oder seine Preise beibehält. Natürlich lässt sich auch eine automatische Preisanpassung an Konkurrenzpreise einstellen. Dabei bedarf es keiner Freigabe durch den Händler, sofern der Mindestpreis nicht unterschritten wird.

Vorteile für den Händler gibt es viele: Neben einem größeren Umsatzpotential und höheren Verkaufsmargen, kann zudem Lagerware schneller abverkauft werden. Desweiteren kann flexibel auf die Konkurrenzsituation reagiert werden – und das nicht nur im normalen Preisgeschäft, sondern auch, wenn Produkte beim Konkurrenten vergriffen sind.

Drückt der Konkurrent den Preis, kann der Händler den eigenen Preis anpassen, um für eine bessere Preiswahrnehmung beim Kunden zu sorgen – ist die Ware beim Konkurrenten jedoch ausverkauft, kann der Preis umso stärker wieder hochgetrieben werden. Der Kunde wird kaufen, sofern er auf das Produkt angewiesen ist, beziehungsweise er es sofort haben möchte.

Dynamic Pricing von online zu stationär

Eine ganz neue Technologie strebt derzeit Europas größter Elektrofachmarkt Media Markt an. Hier wird Dynamic Pricing aus der digitalen in die analoge Welt übertragen – zumindest halbwegs. Mittels elektronischer Preisschilder können die Preise auch im Handel minütlich geändert werden. Die Testphase läuft derzeit in Holland, soll jedoch auch auf den deutschen Markt übertragen werden, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet. Media-Saturn will so in Echtzeit auf Angebot und Nachfrage, Konkurrenzpreise und andere externe Faktoren reagieren.

Ziel ist, besonders der Konkurrenz im Internet und dem ständigen Preisvergleich der Konsumenten in der Smartphonegeneration entgegenzutreten. Unklar ist jedoch nach wie vor, ob der Kunde davon profitiert oder ob nur die Händler einen Vorteil daraus ziehen. Letzteres scheint auf den ersten Blick eher der Fall.